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Jerusalemer Tagebuch-Geschichten

von Anna Crummenerl,
Mai 2002 36 S., 10,00 € + Versand --> bestellen




Aus dem Inhalt:

Wenn etwas Neues entstehen soll... Vorwort
Machsom - Erinnerungen
Auf dem Weg zu den Jahalin-Kindern

Wenn etwas Neues entstehen soll, muss man das machen, was man noch nicht kann

Ich weiß nicht mehr, wo ich diesen Satz gelesen habe, er blieb mir in Erinnerung und er beschreibt in etwa die Situation, in der ich mich seit nunmehr 2 Jahren befinde.

Kurz vor meinem 50. Geburtstag verabschiedete ich mich nach fast 15 Jahren von meiner Arbeit in der Bäckerei in Köln, hatte das große Glück unmittelbar danach im Kloster Walberberg eine Ausbildung zur "Zivilen Friedensarbeiterin" anzuschließen, und lernte in einem Praktikum in Jerusalem bei den Rabbis For Human Rights die Jahalin-Beduinen und noch viel mehr kennen. So fing alles an.
Seit dieser Zeit pendele ich zwischen Jerusalem und Köln; im letzten halben Jahr war ich fast ausschließlich in Israel. War ich in Köln, so fand ich mich oft in Situationen mit Freunden wieder, die da sagten... "Nun erzähl' mal"... obwohl das meiste gar nicht in Worte zu fassen ist.

Dass es jetzt diese Geschichten gibt, überrascht mich am meisten. Sie könnten um zahllose erweitert werden. Nun sind es diese... Für mich eigentlich Orte der Poesie in soviel Prosa um uns herum.
Sie sind sehr persönlich und sollen keiner Analyse dienen. (...)
Anna Crummenerl, im Mai 2002

Machsom - Erinnerungen

"Machsom", so nennt man die Checkpoints im arabischen und hebräischen. Jeder weiß also sofort, wovon die Rede ist. Im Wörterbuch finde ich in der deutsch-hebräischen Übersetzung die Worte: Sperre, Schranke... Maulkorb. Hier, an diesen Sperren - es sind ungefähr 200 in der Westbank, mal mehr, mal weniger - treffen sich am unmittelbarsten und direktesten die Menschen aus Palästina mit ihren israelischen Nachbarn. Die Nachbarn sind in der Regel Soldaten.

Hier haben sie in Schlangen zu stehen, hier werden sie kontrolliert, durchsucht, festgehalten, an die Wand gestellt, zurückgeschickt... oder dürfen passieren. Der tägliche "Gang durch's Nadelöhr" - für alle Beteiligten.

Seit Oktober letzten Jahres bin ich regelmäßig mit Marylene am Checkpoint in Kalandia. Hier, in all dieser Hässlichkeit, in diesem Dreck, Dieselgestank, diesem Lärm der Autos und Riesenlaster, den Militärjeeps, ihren gellenden Sirenen und Hupen hatte ich wunderschöne Begegnungen und Eindrücke mit den unterschiedlichsten Menschen.

  • Einem jungen Palästinser, einem Ingenieur aus Ramallah, der mich jedesmal in seinem schönsten Deutsch negrüßte mit der Frage: "Hallo, wie geht es denn heute?" Er half mir manchmal beim Übersetzen und erzählte den Menschen, woher wir kamen.
  • Einer Lehrerin, die vor mehreren Jahren mit ihrer Familie aus Kuwait kommend immer noch im Flüchtlingslager Kalandia lebt. Sie passierte täglich den Checkpoint, sah uns schon häufiger und war völlig überrascht, als sie im Gespräch mit dem Ingenieur erfuhr, dass wir kein Geld für "diese Arbeit" nahmen. Spontan wurden wir zum Teetrinken nach Hause eingeladen... sofort und ohne "wenn und aber".

Safa, meiner kleinen Freundin, die es schaffte, in all diesem Dreck und Ungemach immer einen blütenweißen Kragen an ihrer dunkelblauen Schulkleidung zu tragen. Sah ich sie von weitem, schon winkend und rufend auf mich zukommen, wirkte sie oft wie eine kleine Prinzessin... nicht von diesem Stern.

Assaf, einem jungen israelischen Offizier, der in all dieser Unwürdigkeit und diesem Desaster versuchte, höflich zu bleiben... und in heiklen Situationen die Gabe hatte, Zurückgenommenheit zu wahren und zuzuhören.

Einem jungen Mann aus Betlehem, der regelmäßig seinen Onkel beim Besuch des Arztes in Ramallah begleitete. Dieser war schwerst gehbehindert, mit zwei Krücken beladen. An den unwegsamsten Stellen nahm er seinen Onkel auf den Arm, wusste dann aber nicht wohin mit den Krücken. In solch einer Situation habe ich ihn kennengelernt.

Safa versuchte ich unzählige Male nach der Belagerung Ramallahs telefonisch zu erreichen. Es gab jedoch kein Durchkommen. Alle Leitungen waren tot.

Auf dem Weg zu den Jahalin-Kindern

In der Regel brauche ich "nur" einen Checkpoint zu passieren, wenn ich mich auf den Weg zu den Kindern der Jahalin-Beduinen mache. Heute jedoch, eine Woche nachdem die israelische Armee in fast allen selbstverwalteten Städten in der westbank steht, Ausgangssperren rund um die Uhr verhängt werden, scheint garnichts mehr zu gehen. Zudem ist Freitag und Jerusalem festungsmäßig abgeriegelt.

Ich hatte für die Kinder Malblöcke und Farben gekauft. Seit 10 Tagen sind alle Schulen geschlossen. So habe ich für die großen Mädchen Englisch-Hausaufgaben vorbereitet und zu Munas Geburtstag sollte es ein schönes Tagebuch als Geschenk geben.

Am Damaskus-GAte fragte ich einige Taxifahrer nach der Situation. Sie sprechen von mehreren Checkpoints auf dem Weg nach El-Assaria und machten mir keine großen Hoffnungen. Zudem müsste ich mehrere Taxen wechseln, den Fußweg antreten und so Sperre für Sperre passieren. Einen Augenblick war ich unentschieden... doch die Sonne lachte, der Himmel war groß und so machte ich mich auf den Weg.

Gleich hinter dem Ölberg stieß ich auf einen Soldaten, der mich nach meinem "Hiersein" fragte. Er sah meine große Umhängetasche, richtete augenblicklich seine Maschinenpistole etwas höher und ich erzählte ihm, dass ich zu den Jahalin-Beduinen wolle. "Hast du keine Angst?", so seine erste Reaktion. "Vor wem?" fragte ich. "Vor den Arabern". "Nein", meinte ich und ein leises "Yallah" ließ mich weiterziehen. Auf dem selben Weg traf ich eine junge Mutter mit zwei kleinen Kindern und viel Gepäck. Ich fragte, ob ich ihr helfen könne und ehe ich mich umsah, hatte ich ein Kind auf dem Arm und wir

Bei den Jahalin-Kindern angekommen richteten wir uns auf die Schnelle ein kleines "Klassenzimmer" unter freiem Himmel ein. malten, schwatzten, lachten und lernten auch ein wenig... tranken süßen, klebrigen Saft und aßen salzige Erdnuss-Flips.

Die großen Mädchen gaben mir ihre "Hausaufgaben" vom letzten Mal. Ich hatte ihnen eine Fülle von Adjektiven gegeben. Sie sollten Gegensatzpaare finden und einige Sätze bilden. Jetzt saßen sie da und lasen vor, Einer von Mirjams Sätzen lautete: "After the dark will come the light".zogen weiter zum nächsten Taxistand.