Das Camp

  Aktuelles
  Archiv
  Das Projekt
  Die Jahalin
  Literatur
 Unterstützung
  Links
  Kontakt
  

Berichte

Spenden, damit der Ballen ins Rollen kommt!
Der Spendenaufruf für den Sportplatz als pdf

 

11. August 2006

Mein Sommer auf dem Hügel

Schon die Umstellung, aus dem, etwas grauen, aber friedlichen und bequemen Deutschland ins heiße, turbulente und zerrissene Israel-Palästina anzukommen war groß. Die Umstellung aber, eine Woche später aus dem klimatisierten und multikulturellen und auf mich europäisch wirkenden Jerusalem nach Azerya, zum "Hügel", wo die Jahalin wohnen, rauszufahren, war für mich eine noch größere.
Ob ich Lust hätte ein Sommercamp für Beduinen-Kinder mitzugestalten, war ich gefragt worden. Und nun standen wir fünf Volontäre aus Deutschland und den USA zwischen den Containern, die als Klassenräume genutzt werden und blickten in die erwartungsvollen Gesichter von etwa 40 fünf- bis fünfzehnjähigen Jungen. Bei „Beduinen“ hatte ich an Zelte gedacht, nicht an Schiffscontainer oder halbfertige Häuser mit Satelitenschüssel, an alte, bärtige Männer mit zerfurchten und sonnengebräunten Gesichtern in langen Gewändern und Kafia, nicht an Männer in Jeans und T-shirt. Ich hatte an arabischen Tee aus kleinen Gläsern gedacht, nicht an Cola aus der Dose und ich hatte an Wüste gedacht, an die Legende von gelbem Sand und unendlicher Weite, nicht an Schutt, Staub, Steine und Müll, und nicht an eine Mauer.
Die Jungs trugen alle T-shirts und Jeans, tranken alle Cola und schienen an Schutt, Staub und Steine gewöhnt; genau wie an die Hitze, die uns hingegen zu schaffen machte. Um die außerordentlich eifrigen, flinken und mit nie enden wollender Energie ausgestatteten Kinder und Jugendlichen einen Monat lang zwei Tage in der Woche zu beschäftigen und zu betreuen, standen uns sechs Bälle, einige Reifen und Springseile, Farben und Pinsel, ein klein wenig Geld und unser eigener Einfallsreichtum zur Verfügung.
So haben wir vier Wochen lang Fussball gespielt, gemalt, Wettkämpfe veranstaltet, gesungen, Bastelversuche gestartet, gemeinsam gegessen und getrunken, einen Ausflug unternommen; und erfuhren dabei, dass man durchaus manchmal gleichzeitig unglaublich motiviert und am Ende seiner Kräfte sein kann. Neben Hitze, Trockenheit und Materialien, die sich auf das nötigste beschränkten, war auch die Verständigung manchmal ein Problem, welches zu bewältigen uns die vier Jahalin-Volontäre Hassan, Hani, Suleyman und Iyyad halfen, ohne die wir in diesem Punkt wohl schnell an so manche Grenze gestoßen wären. Doch alle Anstrengungen wurden belohnt, wenn bereits eine Stunde vor Beginn zwanzig Kinder gespannt auf dem Platz zwischen den Containern auf uns warteten. War mancher Tag im Vorfeld auch anders geplant, so war man doch zufrieden, wenn alles zwar anders ablief, aber doch funktionierte und begeisterte. Ermattet, aber meistens guter Dinge saßen wir am späten Nachmittag dann im Bus und fuhren zurück nach Jerusalem und konnten uns einen Moment lang vorstellen, wie es sich lebt, in der Schwebe, zwischen Tradition und Moderne; wenn man sich an Schutt, Staub und Steine gewöhnt hat und an Cola aber noch manchmal an die Wüste denkt und an die Legende ihrer unbegrenzten Weite.

Lea Hilsemer

Aktuelles - Zum Archiv