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15. März 2006

Bauern beschützt, Haus zerstört!

Seit jeher ist die Kultivierung der Olivenhaine Lebensgrundlage unzähliger palästinensischer Bauernfamilien. Die putzigen israelische Siedlungen, die über den Hängen thronen, scheinen lediglich das ländliche Idyll zu stören. Nur schwer vorstellbar, dass von ihnen eine existenzielle Bedrohung für die naturverbunden Bauern ausgeht.
Was aber wollen wir dann hier? Es heißt, wir sollen den Bauern "Begleitschutz" geben, damit sie ungestört ihr Werk verrichten können. Es soll vorkommen, dass Siedler frisch gepflanzte Olivenbäume wieder herausreißen, die Ernte zerstören oder die Bauern von ihrem 'Arbeitsplatz' vertreiben - sei es mittels Steinen, Waffengewalt oder herbeigerufener Soldaten. Für die Kleinbusladung engagierter Freiwilliger bedeutet das, einen Gratisausflug ins Hinterland Palästinas zu unternehmen, Natur pur zu erleben und gleichsam die Bauern ihr Tagewerk verrichten zu lassen. Wer mag, darf auch selbst mit ran: Ackern, Bäumchen pflanzen oder auch nur lecker rustikal vespern!
Wie ernst es um die Lage tatsächlich bestellt ist, wird mir dann bei der gemeinsamen Brotzeit klar: mit eindringlicher Gestik bedeutet mir die alte Palästinenserin, wie Steine nach ihr geworfen wurden, wie sie getroffen und offenbar erheblich verletzt wurde. Ihr Finger zeigt immer wieder, beinahe panikartig, entweder auf die fernab liegende Siedlung oder den Militärstützpunkt unweit über uns auf der Spitze des Bergkamms – wahrscheinlich, weil die für mich unsichtbare Gefahr an dieser bedrohlich wirkenden Festung besser zu veranschaulichen ist. Zumindest aber ihr Blick spricht eine eindeutige Sprache und offenbart ihre seelische Verstörtheit. Der unwahrscheinlich freundliche und völlig entspannt wirkende Olivenbauer nimmt mich später noch auf auf einen Streifzug durch die Olivenhaine mit, stolz zeigt er mir die besten Ausichtspunkte, die kleinen Dörfer auf den gegenüberliegenden Hängen, die Schule und sein Haus. Überascht von seinem passablen Englisch werde ich sogar eingeladen, nach Feierabend mit ihm in sein Haus zu kommen und dort zu übernachten. Nur mit schwerem Herzen kann ich sein Angebot ausschlagen, schließlich galt es, am gleichen Tag noch einer anderen Baumpflanzaktion beizustehen und somit Abschied zu nehmen. Zuvor erfahre ich aber noch, wie einst ein heruntergestoßener Felsblock seine gesamte Ausrüstung zerstört hat. Wirklich aufbrechen konnten wir erst, als wir der alten Palästinenserin versicherten, dass andere Freiwillige noch auf einem Feld in der Nähe sind und den ganzen Tag lang da bleiben werden -ihr fester, nicht loslassen wollender Griff nach meiner zur Verabschiedung gereichten Hand, löst sich zaghaft.
Unerwegs zum nächsten "Einsatzort" gibt es dann eine Planänderung: statt Bäume pflanzen, steht die Besichtigung der Trümmer eines in den frühen Morgenstunden von Bulldozern zerstörten Hauses an, das (zu?) nahe am Verlauf der Trennmauer gebaut wurde. Wir sollen Zeugen der Unmenschlichkeit eines Rechtssystems werden, dass die Zerstörung von Häusern als rechtmäßig erachtet. Rechtmäßig insofern, als dass das Haus außerhalb des örtlichen Bebauungsplan errichtet wurde. Gelegentlich wird ein solcher Bau im Nachhinein dann gebilligt - oft aber nicht...! Es soll den Fall gegeben haben, dass ein Haus deimal gebaut und dreimal zerstört wurde. Die Beantragung einer Baugenehmigung vor Baubeginn hat wenig Aussicht auf Erfolg. In unserem besichtigten Fall hatte sich der zu bedauernde junge Familienvater - 2 Kinder, das 3. unterwegs - im Hintergarten des viel zu klein gewordenen Elternhauses sein eigenes kleines Domizil errichtet, respektive - angesichts der unzugänglichen Hanglage und dem einfachen Gerät - geradezu in Stein gemeißelt. Ruhig und um Fassung bemüht berichtet der vor den Trümmern seiner Arbeit stehende Hausbesitzer wortkarg, was sich zugetragen hatte. Nur seine leeren schwarzen Augen zeugen von unendlicher Traurigkeit. Wut scheint er ob der Frische der Ereignisse gar nicht zu empfinden - zu tief sitzt die Erschütterung. Er wird Tage brauchen, um das Geschehene zu realisieren und ungleich länger, um es zu verarbeiten. Zurück bleibt ein gebrochener junger Mann - die Bulldozer haben ganze Arbeit geleistet.

Johannes Heckmann

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