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07. August 2006

Mein Sommer bei den Jahalin

Zum fünften Male verbrachte ich meine Sommerferien als Volontärin im Projekt mit den Jahalin-Beduinen, doch nie vorher ist die Zeit so im Fluge verstrichen wie in diesem Jahr.
Ich war fast täglich mit Anna auf dem Hügel und half im Sommercamp mit, wo ich meine Erfahrung als Waldorf-Lehrerin besonders im handwerklich-künstlerischen Tun einbringen konnte. Mit den Mädchen machten wir Perlenkettchen und gestalteten Mosaikbilder. Dabei und beim Malen mit Wasserfarben konnte ich erleben, wie kreativ die Kinder mit den Farben spielten. Manche wurden dabei ganz ruhig und vertieften sich in ihr Bild, andere gingen freudig und rasch ans Werk, waren schnell fertig und dann aber begierig, weitere Bilder zu malen. Besondere Höhepunkte waren immer die kleinen Augenblicke des Lauschens oder Staunens, wenn die Kinder, die meistens sehr lebhaft sind, mal für einen Moment ganz bei sich waren.
Der wichtigste Teil meiner Mitarbeit im Projekt war die Arbeit mit den Frauen. In diesem Sommer wollten wir aus den Stickereien 300 Geschenk- und Schmuckkarten herstellen. Dafür musste ich zunächst mehrere Meter schwarzen Stramin-Stoff in Postkarten-große Stücke zuschneiden. Während die Sonne mit glühender Hitze auf den Caravan brannte, war ich an einem der Tische mit Maßband, Schablone und Schere am Werk. In jenen Tagen vermissten wir den sonst üblichen Wind und es gab tagelang auf dem Hügel kein Wasser und keinen Strom, also auch keinen Ventilator. In der Jerusalemer Altstadt hatte ich den letzten Scherenschleifer ausfindig gemacht, der unsere einzige gute Schneiderschere funkensprühend am Schleifrad schärfte. Er erzählte, dass er seit Monaten nur selten Kundschaft habe, denn die Leute hätten einfach kein Geld. Ich hatte Glück, ihn überhaupt in seiner finsteren Werkstatt anzutreffen, weil er jetzt meistens außerhalb der Stadt anderen Tätigkeiten nachgehe, sonst könne er seine Familie nicht ernähren.
Auch das Stickgarn habe ich nach Farben sortiert, fehlende Farben nachgekauft, Farben zusammen gestellt und kleine Knäuel gewickelt. Ab und zu schaute eines der Kinder oder eine der Frauen, die am Nebentisch den Arabisch-Lese-/Schreib-Kurs besuchte, neugierig herüber und staunte oder fragte, was denn mit dieser Menge Stoffstücke geschehen solle. Manche halfen einfach mit beim Sortieren und Aufwickeln des Stickgarns. Dafür genügte das Zuschauen, ein Lächeln, ein „Schukran“ (danke) und die wenigen Sätze, die ich auf Arabisch konnte. Wenn ich erwähnte, dass ich die Mutter von Jonas bin („ana umm Jonas“), war stets erfreutes Staunen die Reaktion. Alle kannten und mochten ja den blonden jungen Volontär, der seit Oktober mit ihren Söhnen, den großen und kleinen Jungs auf dem Hügel Fußball spielt, Englisch unterrichtet und gemeinsam mit anderen Volontären das Sommercamp gestaltet.

Es musste alles zugeschnitten und vorbereitet sein bis zum verabredeten Termin, an dem die Frauen zur Materialausgabe und Arbeitsanleitung in den Caravan kamen. Das war für mich ein sehr aufregender Tag, denn ich musste ihnen alles gut erklären und zeigen, damit die Stickereien für die Karten passend würden. Ich war darauf angewiesen, dass eine der Studentinnen mein Englisch ins Arabische übersetzte. Schon mehr als eine Stunde früher trafen die ersten Frauen ein und es wurden immer mehr, so dass bald alle Sitzplätze im Caravan belegt waren und es wie im Bienenstock summte. Manche der Frauen waren komplett verschleiert und hoben dann im Raum, in dem ja nur Frauen saßen, ihren Gesichtsschleier weg, damit sie besser sehen konnten. Dann zeigte ich ihnen drei Beispielkarten und erläuterte, worauf sie beim Sticken achten sollten. Die Frauen gaben die Karten herum, befühlten sie, klappten sie auf und untersuchten, wie sie hergestellt waren, aber für viele war am wichtigsten, dass sie schnell ihre Stoffstücke und das Stickgarn bekämen. Sie begriffen sofort ihre Aufgabe, nämlich das eingezeichnete Feld zu besticken.
Im heiteren Auswählen der Farben entstand ein geschäftiges Durcheinander. Jede Frau bekam sechs Stoffstücke, die ich schon in kleine Stapel bereit gelegt hatte, doch alles wurde nachgezählt, die Menge des Stickgarns geprüft und verglichen. Manche Frauen warteten geduldig, bis sie dran waren, manchen konnte es nicht schnell genug gehen und sie griffen selbst in die Materialkiste. Schließlich notierte Anna jeden Namen auf einer Liste, damit wir wussten, wer wie viel mitgenommen hatte. Dies gelang nur, weil ich den Übereifrigen wieder etwas abnahm.
Am Ende konnten wir an der Liste sehen, dass mehr als sechzig Frauen an den Stickereien beteiligt waren. Eine Woche später waren Anna und ich ganz gespannt auf die Ergebnisse. Die Frauen waren sehr fleißig und kreativ gewesen, es gab nur wenige Beanstandungen. Jedes Stück wurde von uns einzeln begutachtet und Anna notierte die Ergebnisse in ihrer Liste. Man kann sagen, dass wir viele schöne Überraschungen dabei erlebten. Ganz unterschiedliche Motive, Muster und Farbzusammenklänge waren zu bewundern; kleine machbare Korrekturen wurden sofort ausgeführt.

Die Beduinenfrauen hatten ihren Teil der Arbeit für die Karten sehr gut gemacht, nun musste ich noch die Einklebearbeit bewerkstelligen. Die Stoffstücke mussten an den Rändern noch passgenau geschnitten werden, so dass ein nicht zu breiter Rand für die Klebefläche übrig blieb. Ich brachte viele Stunden damit zu, bis die 300 Schmuckkarten in drei große Schuhkartons gepackt werden konnten. Dabei überwog die Freude über die gelungenen Karten jegliche Mühsal. Immer wieder stellte ich mit Erstaunen fest, wie ein manchmal nicht ganz so gelungenes Stickwerk, wenn es sauber eingerahmt war, plötzlich an Würde und Ausstrahlung dazugewann. Das war eine schöne Erfahrung.
Am letzten Tag, bevor alles nach Berlin im Fluggepäck transportiert werden sollten, fand Jonas noch die passenden Zellophantüten, die zum Schutz der Kunstwerke unbedingt erforderlich waren. Nachdem er in acht israelischen Läden Westjerusalems umsonst gefahndet hatte, war der letzte Versuch erfolgreich, den er in einem palästinensischen Papiergeschäft Ostjerusalems anstellte. Wir alle waren hocherfreut, als er damit eintraf. Schließlich musste ich noch die Dreierpacks zusammen stellen , wobei die oberste, die Sichtkarte, stets die schönste der drei sein sollte. Mit großem Vergnügen suchte ich die besten Karten zusammen und stellte fest, dass ich beinahe alle für diesen Platz hätte auswählen können.

Die Begeisterung, die beim Anblick der fertigen Karten aufkam, die habe ich auch bei vielen meiner Freunde erlebt, wenn ich ihnen zeigte, was die Beduinenfrauen in diesem Sommer gestickt haben.
Ich bin dankbar, dass ich mit Anna und den andern Volontären wieder an diesem Projekt mitwirken durfte und hoffe, dass die schönen Ergebnisse viele erfreuen und dass vom Geist dieser Freude etwas zurückfließt in die Herzen der Bedrängten in der Region Nahost.

Dorothea Calabrese

Die Karten sind einem Set von drei unterschiedlichen Karten samt Umschlägen zum Preis von 10,00 € inkl. Versandkosten beim Aphorisma-Verlag erhältlich.

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